Kaum etwas gibt ein Mann weniger gern zu, als dass er ein schlechter Autofahrer ist.
Auch ich halte mich für einen sicheren und versierten PKW-Lenker, ausgestattet mit der Reaktionssicherheit eines Michael Schumacher und den Instinkten eines Walter Röhrl.
Davon lasse ich mich auch nicht so leicht durchs Fernsehen abbringen – schnell fahren kann ich auch, und um die Kurve schlittern und schleudern fällt mir auch nicht schwer, wenn mir das ESP auch manches Mal ein bisschen Hilfestellung leistet, sofern ich mal wieder meinen Bleifuß einen Tick zu lange auf dem falschen Pedal hatte. Überhaupt sind die Straßen zu schmal, die Kurven zu eng, und Fußgänger sollten die Fahrbahn nur an wenigen genau gekennzeichneten Stellen überschreiten dürfen, um den Verkehr nicht zu gefährden.
Aber ich schweife ab – wahrscheinlich um mich um ein Geständnis zu drücken, das mir seit ein paar Tagen auf der Seele lastet: ich bin vermutlich eine Flasche im Bett – und wer jetzt glaubt, ich, als typischer Mann, dächte dabei an einen brandheißen Molotowcocktail, der sieht sich getäuscht.
Offenbar bin ich eher ein Exemplar der Marke „Offene Cola, die zu lange in der Sonne gestanden hat“. Wie ich darauf komme? Gut, ich will es erklären.
Ich bin eine Nachteule und habe früh am Abend einen toten Punkt, der mich gegen 21:00 Uhr auf dem Sofa ins Röchelkoma fallen lässt. Männer kennen das: Kopf nach hinten, Garage auf und Platons Höhlengleichnis geben, während aus dem Rachen ein Geräusch von industrieller Kläranlage nach außen dringt. Zum Glück hält dieser Zustand nicht so lange an, bis Schwalben beginnen ihr Nest in der sich einladend öffnenden Höhle zu bauen, und gegen 22:00 Uhr bin ich dann wieder so fit wie ein Turnschuh, während der ausgetrocknete Gaumen dafür sorgt, dass ich auch in etwa so rieche. Also schnell ab ins Bad, Zähne putzen und… Aber ich schweife schon wieder ab…
Also raus mit der Sprache:
Statt ins Bett zu gehen, setze ich mich noch ein Weilchen aufs Sofa, schlürfe ein Gutenachtbierchen, kratze mich ausgiebig am Bauch und zappe im Feinripp durchs Spätabendprogramm. Die üblichen schlüpfrigen Telefonangebote ignoriere ich, weil ich es nicht nötig habe, mir von irgendeiner Schantall im Neeklischee was von heißer Liebe ins Ohr stöhnen zu lassen, die in Wirklichkeit Elfriede heißt und mit eingeklemmtem Hörer die Krähennägel an ihren Schwielenfüßen bearbeitet.
Es vergehen kaum fünf Minuten und ich lande bei einem stinknormalen, zweitklassigen Krimi und Liebesfilm, dessen erotisches Highlight mich traditionell in etwa auf zwei Drittel der Filmdauer erwartet. Zwei unglaublich schöne Menschen schauen sich bedeutungsschwanger in die Augen und zögern einen Moment bevor sie sich wie zwei ausgehungerte Hyänen auf den Mund des anderen stürzen, als wollten sie ihm die letzte Mahlzeit aus dem Magen saugen.
Rüde rempelt er sie gegen die Wand, was sie mit einem guttural unterlegten Lustlaut quittiert. während sie, schon nach ca. fünf Sekunden prall erregt, ihren Schenkel nach oben zieht und ihren Gespielen einbeinig stehend, wie ein Flamingo damit umschlingt, als wolle sie ihm das Leben aus den Lenden pressen. Ihr viel zu kurzer Minirock rutscht nach oben und gibt den Blick auf einen makellosen, sündhaft teuer bestrapsten Schenkel frei, der einen unwillkürlich an den letzten Besuch beim Wienerwald denken lässt – nur, dass dort die Haut irgendwie krosser war.
Mann, muss der Kerl küssen können…
Die Hirne lustumnebelt, torkeln die zwei ins Schlafzimmer, sofern Kamin und Bärenfell nicht vorhanden sind, und verteilen den größten Teil ihrer Designerklamotten überall in der Wohnung, so wie Hänsel und Gretel die Brotkrümel, damit sie wieder nach Hause finden. Sie sinken aufs Bett. Zuerst ist er auf ihr, um ihr zu zeigen, dass ein ganzer Kerl die Zügel in der Hand hält, presst sie mit seinem ganzen Gewicht aufs Laken und küsst sie, als gäbe es kein Morgen, während sie ein wie verdurstend klingendes „Ich will dich“ herausstöhnt, das er mit einem ebenso geröchelten „Dein Mann muss ein Idiot sein!“ quittiert, was zumindest deshalb ein bisschen sonderbar klingt, weil der benannte Idiot schon, von den zwei heiß erregten Verschwöreren massakriert, im Vestibül liegt.
Dann drehen sie sich um, und sie setzt sich auf ihn. Während er an ihren Knien fummelt, schaut sie ihn mit funkelnden Augen an, kreuzt ihre unglaublich schlanken Arme, reckt ihren Schwanenhals und streift sich das natürlich viel zu knappe Top über den Kopf, während das Mondlicht romantisch auf ein paar Brüste von der Größe neuseeländischer Braeburn fällt. Unruhig wogt ihr Oberkörper hin und her, was vermuten lässt, dass sie auf etwas sitzen muss, dass sich jeglicher Beschreibung zu entziehen scheint.
Mann, muss der Kerl gebaut sein…
Er setzt sich auf und nestelt an ihrem Büstenhalter, während sie zugleich an seinem Shirt zieht, als wolle sie ihm, wie der Adler dem Prometheus, ein Stück Leber aus dem Bauch reißen. Sein freigelegter Brustkorb wirkt im Mondenschein, als hätte man zwei Pflastersteine vom Bürgersteig direkt vor sein Herz transplantiert, und sein Bauch ist so fettfrei wie eine Blumenwiese, aber zugleich so hart, dass eine Pistolenkugel davon abgeprallt wäre, wenn der arme Idiot im Vestibül ein bisschen schneller gewesen wäre und geschossen hätte, statt weinerlich um sein Leben zu winseln.
Mann hat der Kerl eine Figur…
Die Slips haben sich unterdessen wie von selbst in Wohlgefallen aufgelöst, so als seien sie aus einem geheimen Material gefertigt, dass sich bei aufkeimender Lust in zarten Rauch auflöst, der nach feinen arabischen Gewürzen duftet und noch zusätzlich aphrosisierend wirkt. Kaum sind beide nackt beginnt er in seiner Trickkiste zu kramen. Er hat die Hände an ihren Rippen, während sie mit geschlossenen Augen auf ihm dümpelt, wie ein vollgeladener Lastkahn auf der Havel und unverständliche Worte brabbelt.
Er setzt sich auf und schlabbert mit spitzen Lippen an ihrem Dekollete, während ihr Haupt, wie an einem Scharnier geklappt, nach hinten kippt und ihre langen Haare an ihrem absolut pickelfreien Rücken nach unten fließen, wie ein subtropischer Wasserfall. Sie vergräbt ihre tadellos manikürten, weil mit künstlichen Nägeln versehenen Finger, in seinem natürlich mehr als vollen Haupthaar, zappelt wie ein frisch gefangener Fisch an Land und stöhnt: „Oooooh mein Gott…!“ während ihr makelloser Körper zu erschauern scheint, als hätte man sie aus dem heißen Whirlpool direkt in einen Trog mit Eiswasser geworfen.
Man muss der Kerl ein Liebhaber sein…
So sitze ich, vollkommen entrückt, vor der Flimmerkiste, das schal gewordene Bier in der Hand, das verschwitzte Unterhemd am Leib, und frage mich, ob mich eine Frau im Schlafzimmer schon mal „Gott!“ gerufen hat.
Dem wahren „Herrn“ sei Dank, bin ich wenigstens ein hervorragender Autofahrer, wenn auch offenbar eine absolute Niete im Bett…
Foto: brandy74, „Sensual evening“,
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